WEST ÖSTLICHER DIWAN WEIMAR

01. November 2019: Ausstellungeröffnung in Schiras/Shiraz anlässlich der Deutschen Kulturwoche in Schiras anlässlich der Erscheinung von Goethes „West-oestlichen Divan“ im Jahre 1819 vor 200 Jahren!

Imaginäre Reise in den Orient - Goethe und der West-oestliche Diwan: Eine Ausstellung von Dr. Klaus Gallas in Kooperation mit der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin vom 09. September bis zum 25. Oktober 2019

 

Vor 200 Jahren wurde erstmals Goethes „West-oestlicher Divan“ herausgegeben. Anlässlich dieses Ereignisses wird zur Erinnerung an das Jahr 1819 am 16. Mai 2019 die Ausstellungseröffnung in Oldenburg stattfinden, mit einem Einführungsvortrag von Dr. Klaus Gallas

Die wichtigste Frage, die uns beim „West-oestlichen Divan“ von Goethe (1749 – 1832) interessiert, ist, war Goethe ein Muslim und warum hat er sich so sehr mit dem Orient, mit Persien und mit dem persischen Dichter Hafis auseinandergesetzt? Am 3. Januar 1816, drei Jahre vor dem Erscheinen seines Divans, sagte er bei der Ankündigung zu seinem neuen Werk: „als Verfasser lehne er den Verdacht nicht ab, dass er selbst ein Muselmann sei“, damit sagte er aber nicht, dass er Muslim ist! Diese Aussage ist verwirrend und wurde oft fehlinterpretiert! Goethe ist auf seiner imaginären Reise in den Orient mit unendlich vielen Neuigkeiten konfrontiert worden. Er weiß von Erzählungen aus vielen Reisebeschreibungen über Sitten und Gebräuchen der Länder des Orients Bescheid, kennt den Islam mit seinen religiösen Gesinnungen und Meinungen seit seiner Jugend, und in diesem Zusammenhang sagte er, ja er lehne „den Verdacht nicht ab, dass er selbst ein Muselmann sei“! Aber, Goethe war nie im Orient! Warum? Er scheute nicht den gefährlichen Weg bis nach Rom und Sizilien, wobei er Sizilien eigentlich nur als „muss“ ansah; man spürt es besonders bei seinen fast lieblosen Beschreibungen über diese großartige Insel. Wohl scheute er den langen Weg in den „gefährlichen“ Orient! Goethes Vision vom Orient, wie er sich an das Thema des Orients, an den Koran und an Mohammad herangetastet hat, soll hier in Bildern begreiflich gemacht werden. Wobei Weimar immer wieder in den Blick fällt.

Im Rahmen der Deutschen Kulturwoche in Schiras/Iran vom 01. bis 05. November 2019 findet die Ausstellungseröffnung am 01. November in Schiras


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„Begleittext zur Ausstellung“ © Dr. Katrin Henzel und Michaele Klinkow

 

Datum und Ort Eröffnung und Präsentation: Montag, 09. September 2019, 17:30 Uhr Universitätsbibliothek der Freien Universität, Berlin Garystr. 39, 14195 Berlin

 

Ticketpreis Eintritt frei)
Veranstalter West Östlicher Diwan Festival Weimar gGmbH, Dr. Klaus Gallas

 


 

Impressionen

 

 


Hafis Monument © Klaus Gallas



Eröffnung der „Deutschen Kulturwoche Shiraz“ am Hafis Monument am 31.10.2019 © Klaus Gallas


Interview mit Dr. Klaus Gallas © Klaus Gallas



Bürgermeister von Schiras Haidar Eskandapour bedankt sich bei Dr. Klaus Gallas © Klaus Gallas



Plakat der Ausstellung © Klaus Gallas


Das Ausstellungsgebäude, eine ehemalige Weberei. © Klaus Gallas


Die Ausstellung © Klaus Gallas



Die Ausstellung © Klaus Gallas


Die Ausstellung © Klaus Gallas

 

 

 




© Michaela Klinkow und Dr. Katrin Henzel



© Michaela Klinkow und Dr. Katrin Henzel


Goethes Unmut über die damals gängigen Koran-Übersetzungen drückt sich besonders in seiner Kritik an die deutsche Übersetzung „Die türkische Bibel, oder der Koran" aus dem Arabischen von David Friedrich Megerlin (*1699 –†1778) aus, der den Koran als „Lügenbuch“ und Mohammed als „falschen Propheten“ bezeichnet. Am 22. Dezember 1772 schrieb Goethe in den „Frankfurter Gelehrten Anzeigen“: Diese elende Produktion (damit ist das Buch von Megerlin gemeint) wird kürzer abgefertigt. Wir wünschten, daß einmal eine andere unter morgendlichem Himmel von einem Deutschen verfertigt würde, der mit allem Dichter- und Prophetengefühl in seinem Zelte den Koran läse, und Ahndungsgeist genug hätte, das Ganze zu umfassen…“ Dann, inmitten seiner Alterszeit, inzwischen ist Goethe schon 64 Jahre alt, passiert etwas Seltsames – es ist der Beginn der Epoche des „West-oestlichen Divan“! Im Herbst 1713 erhält Goethe von einem Soldaten aus Spanien eine kleine arabische Kalligraphie mit dem Text der 114. Sure (mit persischer Umschrift), die ihm Georg Wilhelm Lorsbach (*1752 – †1816) wie folgt übersetzte: „Im Namen Gottes des barmherzigen Erbarmers! Sprich: Ich fliehe zum Herrn der Menschen – vor dem Übel der Einflüsterung des Flüchtlings (des Teufels)“. Völlig begeistert von diesem Text, schreibt Goethe die ersten Verse der „Hegire“ (Hedschra), der Flucht des Propheten von Mekka nach Medina (622), und fügt sie in das erste Kapitel des Divans ein, wie er ihn fortan nennt. Und genau dieses „Fluchtmotiv“ beschäftigt Goethe sein Leben lang. Für ihn ist es eine Flucht – zum Morgenland - anlässlich der Napoleonischen Kriege, die halb Europa – das Abendland - vernichten, für ihn ist es eine Flucht in die frühen Jahrhunderte einer imaginären orientalischen Welt:


Goethes-Arbeitszimmer von Johann Joseph Schmeller (1794-1841), © Goethe Nationalmuseum



„ … Flüchte du, im reinen Osten
Patriarchenluft zu kosten; …“


Arabische Schrift aus Carsten Niebuhrs „Beschreibung von Arabien“, 1772, © Herzogin Anna Amalia Bibliothek


Goethes „West-oestlicher Divan“, 1819, © Goethe-Schiller Archiv



Doch schon im Januar 1714 passierte ein zweites „ominöses“ Ereignis in Weimar, das Goethe stark bewegte: Baschkirische Truppen aus dem russischen Uralgebirge, Verbündete Preußens und Russlands gegen Napoleon hielten in einem protestantischen Gymnasium der Stadt einen islamischen Gottesdienst ab, den Goethe besuchte. Mit Bewegtheit schildert er diese für ihn völlig ungewöhnliche islamische Zeremonie in einem Brief an seinem Freund Friedrich Wilhelm von Trebra (*1740 – †1819): „Wer durfte wohl vor einigen Jahren verkünden, dass in dem Hörsaale unseres protestantischen Gymnasiums mahometanischer Gottesdienst werde gehalten und die Suren des Korans würden hergemurmelt werden, und doch ist es geschehen, wir haben der baschkirischen Andacht beigewohnt, ihren Mulla geschaut, und ihren Prinzen im Theater bewillkommt“.
Das Ereignis hatte eine solch starke Wirkung, dass viele der Weimarer Gesellschaft sich spontan den Koran aus der Bibliothek ausgeliehen haben. In Leipzig wurde 2003 zu Ehren der baschkirischen Gefallenen bei der „Völkerschlacht von Leipzig 1813“ ein Gedenkstein errichtet!
Und ein weiterer „Zufall“ führte Goethe zum imaginären Orient, zum „West-oestlichen Divan“ und zu Hafis. Im Februar 1814 bot ihm ein Leipziger Kunsthändler acht arabische, persisch-arabische und türkisch-arabische Manuskripte zum Kauf für die Bibliothek an, die er leitete, ließ sie von Lorsbach prüfen, die er dann später kaufte. Schließlich erhielt er im Mai 1814 von seinem Verleger und Freund Johann Friedrich Cotta (*1764 – †1832) die erste deutsche Übersetzung von Joseph Hammers (*1774 – †1856) zweibändiger Gedichtsammlung des persischen Dichters Hafis (*um 1315 – †um 1390) aus Schiras geschenkt. Goethe war so sehr begeistert von der Dichtkunst Hafis, nannte ihn seinen „Zwilling“, so dass er 1815 in den „Tag- und Jahres Heften“ schrieb:
„Schon im vorigen Jahre waren mir die sämtlichen Gedichte Hafis in der von Hammerschen Übersetzung zugekommen, und wenn ich früher den hier und da in Zeitschriften übersetzt mitgeteilten einzelnen Stücken dieses herrlichen Poeten nichts abgewinnen konnte, so wirkten sie doch jetzt zusammen desto lebhafter auf mich ein, und ich musste mich lange dagegen produktiv verhalten, weil ich sonst vor der mächtigen Erscheinung nicht hätte bestehen können. Die Einwirkung war zu lebhaft, die deutsche Übersetzung lag vor, und ich musste also hier Veranlassung finden zu eigener Teilnahme. Alles was dem Stoff und dem Sinne nach bei mir Ähnliches verwahrt und gehegt worden, tat sich hervor, und dies mit um so mehr Heftigkeit, als ich höchst nötig fühlte mich aus der wirklichen Welt, die sich selbst offenbar und im Stillen bedrohte, in eine ideelle zu flüchten, an welcher vergnüglichen Teil zu nehmen meiner Lust, Fähigkeiten und Willen überlassen war.“ Noch ein weiteres Ereignis ist für den Divan von großer Bedeutung: Am 4. August 1814 lernte Goethe die verheiratete Marianne von Willemer (*1784 – †1860) kennen. Ihr Liebreiz und Ihre Fröhlichkeit erfüllten den 24 Jahre älteren Goethe nach anfänglichen zarten Hinwendungen zu einer leidenschaftlichen Liebe. Sie, Marianne, beflügelte Goethe sicherlich in seinem Schaffensdrang. Schon im Jahre 1814 entstehen 53 Gedichte von ihm, wobei er Hafis als seinen „Dichterberater“ bezeichnet und ihn rühmt:


Jean Gagnier/Christian F. R. Vetterlein „Leben Mohammeds des Propheten“, 1802, © Herzogin Anna Amalia Bibliothek





„Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis, mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Wie du zu lieben und zu trinken
Das soll mein Stolz, mein Leben sein“.


Par M. Prideaux „La Vie de Mahomet…”, 1698, © Herzogin Anna Amalia Bibliothek


Fünf Jahre später, 1819, erscheint der „West-östliche Divan“. Zwei Besonderheiten sind über den Divan zu erwähnen. Da Goethe gemerkt hat, dass sein Publikum vom Orient und dem Koran zumeist nur schlecht informiert war, fügte er seiner Dichtung noch einen erläuternden Teil hinzu, die „Noten und Abhandlungen zu Besserem Verständnis des West-oestlichen Divans“. In diesem Anhang erläuterte er gewissenhaft Begriffe wie: Hebräer – Araber – Ältere Perser – Mahomet - Buch der Parsen – Alt-Testamentliches - Israel in der Wüste – Hafis - und vieles mehr.
Zum anderen fügte Goethe ein einziges Mal Texte einer (fremden) Mit-Autorin (von Marianne Willemer) in seine Texte ein. Doch diese Tatsache verschwieg er sein Leben lang. Es handelte sich um Marianne von Willemer und das „Buch der Suleika“ in Goethes Divan. Diese Gedichte sind ganz auf die gegenseitige Liebe von Marianne und Goethe ausgerichtet. Sie, Marianne, wird in diesen Versen zur Suleika und er, Goethe, wird zu Hatem, zwei Namen aus dem Orient! Ein Zwiegespräch der Liebenden. Nur knapp zwei Jahre, bis 1816, wehrte diese tiefe Liebesbeziehung, die Goethe in seinem hohen Alter nie hat vergessen können. Vielleicht waren es die düsteren Gedanken an den frühen scherzhaften Tod seiner Frau Christiane, geborene Vulpius (*1775 – †1816), die am 6. Juni 1816 nach schwerer Krankheit in Weimar verstarb. Ihr Tod, mag ihn womöglich zum Beenden der Beziehung mit Marianne beeinflusst haben. Bis zu seinem Lebensende blieben er und Marianne in Briefkontakt. Drei Wochen vor seinem Tod, am 22. März 1832, schickte Goethe ihr all ihre Briefe zurück. Es war Hermann Grimm (*1828 - 1901), dem sich Marianne anvertraute, der ihr Geheimnis dann 1850 veröffentlichte. In einem ihrer Gedichte aus dem Buch der Suleika spricht sie von ihrer unerfüllten Liebe zu Goethe (Hatem):


Amīr Šāhīr Sabzawārī (gestorben 1453) “ Divan”, gekauft 1815, © Herzogin Anna Amalia Bibliothek


Ach! um deine feuchten Schwingen,
West, wie sehr ich dich beneide:
Denn du kannst ihm Kunde bringen
Was ich in der Trennung leide!

Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen;
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Stehn bey deinem Hauch in Tränen.

Doch dein mildes sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlider;
Ach, für Leid müßt' ich vergehen,
Hofft' ich nicht zu sehn ihn wieder.

Eile denn zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen;
Doch vermeid' ihn zu betrüben
Und verbirg ihm meine Schmerzen.

Sag ihm, aber sag's bescheiden:
Seine Liebe sey mein Leben,
Freudiges Gefühl von beyden
Wird mir seine Nähe geben.“



Entwurf von Johann G.L. Kosegarten (1792-1860) auf Goethes Wunsch hin für die persische Ausgabe seines Divan-Buches „Moganni Nameh. Buch des Sängers“, 1818, wurde nicht realisiert. © Goethe-Schiller-Archiv, Inv.-Nr. 25/W 1107

Die Ausstellung zeigt 75 Abbildungen, die die Auseinandersetzung Goethes mit der imaginären Reisen in den Orient zeigen.

 


Graf de Boulainvilliers „Prospect des Tempels zu Mecca“. Beilage zu „Das Leben des Mahomeds…“ 1747, © Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Weitere Informationen

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